Dieses
erste Kapitel des ersten der drei Bücher der OTIA
IMPERIALIA
gibt eine globale Weltbeschreibung;
es ist deshalb von besonderem Interesse für das
WELTBILD DES MITTELALTERS.
Dieses Kapitel
ist der Datenmenge wegen in drei Teilseiten aufgegliedert:
Zudem wird Welt die Sinnenwelt genannt, d.h. von den Griechen Pan, von
den Philosophen All.
Sie besteht auch aus vier Elementen; (60)
Erde wird diese genannt als Materie aller Leiber,
(61)
gemäß dem Spruch: Himmel und Erde fülle ich aus;
(62)
und wiederum: Im Urbeginn hast du Herr die Erde gegründet.
(63)
Es betrifft aber das Beispiel der Urbildwelt, dem gemäß man
liest: (64)
Der in Ewigkeit bleibt, alles erschuf er zugleich.
(65)
Welt wird auch der Bereich unter dem Mond genannt,
weil er allein die uns bekannten Lebewesen enthält.(66)
60) Sehr kurz nach Platon,
Timaios 32 bc
61) Petr.Com.
1,1 faßt zusammen (in Erläuterung
zu Gen 1,1):
terram vero materiam omnium corporum
id est quatuor elementa
id est mundum sensibilem ex his constantem,
abgegrenzt
von celum als
dem oberen Bereich des mundus sensibilis,
der demnach nicht aus den vier Elementen bestünde (Äther also
ungleich Feuer); vgl. aber Timaios
32 c: dort ist das Elementengefüge
selbst ein ouranos horatos kai haptos;
Calcidius macht
daraus machina visibilis contiguaque.
62) Numquid
non caelum et terram ego impleo? dicit Dominus
Ier 23,24; die hier verwendete Kurzform des
Zitats auch in Augustinus, Civ 12,26;
implere wohl
als "Anfüllen" mit den Elementen, wie schon oben (den Himmel) mit
Engeln, nicht als "Ausfüllen" durch den Inspirator
selbst, den allsichtigen "Gott von nahem und Gott von weitem" (in der gleichen
Stelle Ier 23,23).
63) Ps 101,26
Initio tu Domine terram fundasti;
Hebr 1,10 Tu
in principio Domine etc. – Vorsichtige Einschränkung
des "Anfang"-Begriffs auf die Erschaffung (nur) der vier Elemente, deren
Inbegriff "Erde" genannt werde, im Hinblick auf die alte Diskussion, ob
zuerst (einer der vielen) Himmel oder (Vorform, Stoff bzw. Vollbild der)
Erde geschaffen sei, da diese Psalmstelle (mit Gen
2,4) der Reihenfolge von
Gen 1,1 widerspreche; z.B.
Petr.Com. 1,1: Sed
quod simul factus est, simul dici non potuit. Licet enim hic prius nominetur
celum, quam terra, tamen scriptum est: In initio
etc. Vgl. dieselbe Diskussion im Talmud, Chagiga
12 a.
64) mundus archetypus
- entspricht der creatio in intellectu
Ps 135 (136),5 und dem Präludium der
selbst allzeitlichen sapientia
Prov 8,22-31,
besonders V.31
ludens in orbe terrarum
vor der Erdschöpfung; von Philon (De
opificio 16) unter dem Begriff archetypon
interpretiert als paradeigma
gemäß Platons
Timaios 28 a; 29 b;
Calcidius (Timaioskommentar) übersetzt
paradeigma meistens
mit exemplum,
in 38 c jedoch
mit archetypus;
nach Plotinos -
kosmos noetos
als archetypon
(Ideenarsenal) für die inferioren Weltschichten Enn.3,2,1,25
- in der neuplatonisch fundierten Patristik beliebt; Gervasius übernimmt
die Staffette von Honorius Augustodunensis,
De imagine mundi (im folgenden
= Honorius) 1,2
- nach Petr.Com. nun die andere "Definitionen"-Quelle:
Creatio mundi .v. modis scribitur
.i. quo ante tempora secularia
universitas mundi in mente divina concipitur.
Que conceptio archetipus mundus dicitur.
Unde scribitur: Quod est factum in ipso vita erat
(Syntax-Variante Ioh 1,3-4)
Secundo cum ad exemplar archetipi
hic sensibilis mundus in materia creatur
sicut legitur: Qui manet in eternum creavit omnia simul (Sir
18,1, s.f.Anm.)
Der
Begriff erlaubt auch eine planende ordinatio
der terra in
Gen 1,1 vor ihrer konkreten separatio
in Gen 1,9f,
s.o.; vgl. Augustinus, Civ 11,10 (Ende):
Deo autem nisi notus esset, esse non posset.
65) Qui vivit
in aeternum creavit omnia simul Sir
(Eccli) 18,1, durch Einschränkung auf
den mundus archetypus
hier noch nicht als Argument für eine Simultanschöpfung der Erscheinungswelt,
sondern für die zeitumgreifende Weisheitsmatrix des zeitlich Disponierten
- vgl. Philon, De opificio mundi 13: hama
gar panta dran eidos theon – eingesetzt. Anders
Honorius, der
hier mit seiner zweiten mundus-Definition
Gen 1,1 als "Materialschöpfung"
für den mundus sensibilis
zwischen paradeigma
(Timaios) und
hexahemeron stellt.
- Die Simultaneität aller Zeit im ewigen Jetzt läßt Schöpfungsakt
und Schöpfer kongruieren, mit Richtung auf die hochscholastische Gleichung
creare = ipsum esse
(aufgrund Ex 3,14
ähjä aschär ähjä,
Boethius, De hebdomadibus, Migne PL 64 Sp.1311-1314
und Aristoteles
actus purus, Metaphysik 1072 a 25),
wird hier aber noch nicht vom archetypisch-bildhaften Präludium der
vermittelnden Weisheitsschöpfung abgezogen.
66) Statt der (eben zur ersten gezogenen)
zweiten mundus-Definition des Honorius
- sensibilis mundus
- wird Petr.Com., 1,1,
dritte mundus-Definition
hier nachgereicht: (dicitur) quandoque sola
regio sublunaris, quia hec sola animantia nobis nota habet, de qua: Princeps
huius mundi eiicietur foras (Ioh 12,31).
Dem Zitat nach also der Johanneische gnostische kosmos-Begriff
mit seiner düsteren Einfärbung (skotia):
"Auch das Diesseits wird schlicht `Welt' genannt".
Hic
quoque mundus dicitur nunc per species et formas sex dierum distinctus.
(67)
secundum
quod legitur. Viditque Deus cuncta que fecerat et erant valde bona
(68)
nunc
dicitur ab vno ad aliud traductus
vt est homo ab homine
pecus ab alio pecore arbor a sua semente (69)
secundum quod scriptum
est Pater meus vsque modo operatur. (70)
sane
mundus a motu quo semper mouetur sic dicitur. (71)
Welt wird auch diese durch die Gestalten und Formen der sechs Tage differenzierte
genannt, (67)
dem entsprechend zu lesen ist: Es sah Gott alles, was er gemacht hatte,
und es war sehr gut. (68)
Dann auch die, die sich vom einen auf das andere fortgepflanzt hat,
wie Mensch vom Menschen, Vieh von anderem Vieh, Baum aus artgleichem Samen
stammt; (69)
dem gemäß geschrieben steht: Mein Vater wirkt bis ins Jetzt.
(70)
Offensichtlich heißt sie "mundus" von der Bewegung (motus), mit der
sie sich immer bewegt. (71)
67) Nach Honorius,
1,2:
tercio cum per species et formas
sex diebus hic mundus formatur
sicut scribitur
sex diebus fecit Deus opera sua bona valde.
Das
bei Honorius verbogene Schriftzitat bei Gervasius bereinigt.
68) Krönender Abschluß (valde)
im Hexahemeron Gen 1,31,
der in Phasen differenzierten Erscheinungswelt, hier wohl unterschieden
von der archetypischen, ewigen der Weisheitswelt (anders Augustinus,
s.f.Anm.) – Allerdings ist diese Art der Phasenschichtung
in der "Vertikale" durchlässig für Fortwirkungen des Vorangegangenen
bzw. Vorausgesetzten: Die (im folgenden angesprochene) kontinuierliche
Schöpfung wiederholt in immer neuen Generationen die Differenzierungen
der Urgeneration (Gen 2,4)
der sechs Tage, die selbst in den Primordialursachen (s.f.Anm.),
den semina rerum
des Weisheitspräludiums angelegt sind, das im Verbum als dem Selbstgespräch
des Schöpfers statthat. Dem entspricht die Auswirkung der archetypischen
"Primordialursachen" (über die Phase des Sechstagewerks hinweg) in
der kontinuierlichen Schöpfung.
69) Nach der Stellung zwischen Sechstagewerk
und Welterneuerung am jüngstem Tag bei Honorius,
1,2:
(creatio mundi scribitur)
Quarto cum unum ab alio
ut puta homo ab homine
pecus a pecude
arbore unumquodque de semine (vgl. Gen
1,12)
sui generis nascitur
sicut dicitur
Pater meus usque modo operatur.
ist
die biologische Keimgeneration Präzedenzfall der im Jetzt an der Zeit
entlanglaufenden kontinuierlichen Weiter-Schöpfung. Aristoteles'
Lehre von der Folge des Entstehenden aus aktuosen Formen (causae
efficientes),
Metaphysik 7 (Z),1032 b – ten
hygieian ex hygieias gignesthai kai ten oikian ex oikias,
1049 b 25 hoion
anthropos ex anthropou – trägt die Paradigmenlehre
des Timaios (Schöpfung
als Nachbildung himmlischer Ideale) in die Naturlehre; das Konzept der
semina rerum
(vgl. Kritik an den homoiomereiai
des Anaxagoras
in Lucretius, De rer. nat. 1,830 u.ö.)
als immanenter primordia rerum
kommt über Ovid, Met 1,9,
und Augustins
rationes seminales
(auch primordiales causae)
in De genesi ad litteram, Migne PL 34 Sp.346ff,
auf Beda, De nat. rer. c.1.
70) Dieser mundus
traductus ist als Explikation (ekeinos
exegesato, Ioh
1,18) der sapientia
praedestinata (1Cor
2,7 aufgrund Prov 8,22ff) ins zeitlich-sukzessive
Leben zu verstehen, sofern der Kontext (Ioh
5,19ff) der zitierten Stelle Ioh
5,17 diese Deutung zuläßt:
Pater meus usque modo operatur, et ego operor.
(...)
non potest Filius a se facere quidquam,
nisi quod viderit Patrem facientem:
quaecumque enim ille fecerit,
haec et Filius similiter facit.
Pater enim diligit Filium,
et omnia demonstrat ei quae ipse facit.
Entsprechend
der Stellung bei Honorius und
(seiner Quelle) Beda, De nat. rer. c.1:
(in der Folge der vier operationes Dei
von 1. predestinatio
im Verbum Dei, 2. Urschöpfung der Elemente, 3. Sechstagewerk,)
4. quod ex eiusdem creature seminibus
et primordialibus causis
totius seculi tempus naturali cursu peragitur,
ubi Pater usque nunc operatur et Filius,
ubi etiam corvos pascit, et lilia vestit Deus.
wird
die biologische Fortpflanzung aus den Augustinschen Primordialursachen
entwickelt, die selbst als Inhalt der Weisheitsschöpfung in die Zeitwurzel
(creavit omnia simul) des Sechstagewerks gehören.
71) Honorius, 1,1:
Mundus dicitur quasi undique motus. Est enim
in perpetuo motu; Isidor,
Etym 3,29: Qui ideo mundus est appellatus,
quia semper in motu est.
cuius
figura rotunda est ad modum pile (72)
et
instar habet oui; elementis distinctus.
(73)
Ouum quippe
exterius vndique testa circumcluditur.
albumen
vero testa circumcluditur
et vitellum
albumine.
vitello
vero gutta pinguedinis in qua vis germinis consistit.
Sic
mundus celo quippe vt testa purus ether.
(74)
Puro ethere
turbidus aer
turbido
aere terra que est materia germinis circumcluditur
(75)
Deren Gestalt ist rund, auf die Weise eines Balls;
(72)
und sie hat das Aussehen eines Eis, in den Elementen differenziert.
(73)
Zumal ja ein Ei außen von allen Seiten von einer Schale umschlossen
wird;
genauer: das Eiklar wird von der Schale umschlossen
und der Dotter vom Eiklar;
vom Dotter der Tropfen der Fruchtbarkeit, in dem die Keimkraft besteht.
So wird die Welt vom Himmel, das heißt: wie von einer Schale wird
der reine Äther, (74)
vom reinen Äther wird die wirbelnde Luft,
und von der wirbelnden Luft wird die Erde umschlossen, die die Materie
des Keimes ist. (75)
72) Nach Honorius,
1,1:
Huius figura est in modum pile rotunda,
sed instar ovi elementis distincta.
Kugelgestalt
der Erde ist auch nach Verlust der physikalisch-geographischen Theorie
der Antike durch die literarische Geographie Allgemeingut: Parmenides'
Argumente (DK 28 B 8, V.42f:
...tetelesmenon esti
pantothen, eukyklou sphaires enalinkion onko
messothen isopales panthe
und
DK A 1; A 44)
wirken in Platons Timaios 33 b
weiter; Cicero, Somnium Scipionis 6,15; Ovid,
Met 1,34 f; die
Timaios-Stelle (griech.-lat.-deutsch)
sowie das Somnium
Scipionis (lat.-deutsch), auch die Ovids Schöpfungsverse,
im frame oben (oder unter dem hier angelegten link); in der lateinischen
Welt Plinius, Nat. hist. 2,2;
dann wäre als früher mittelalterlicher Pliniusleser, der reichlich
benutzt wurde zumindest Beda, De nat. rer.
3 zu nennen, dem Honorius
und dem entsprechend Gervasius
hier folgen; sonst jeder mittelalterliche Autor, der etwas mit Weltbeschreibung
zu tun hat, besonders in der Schule von Chartres
(z.B. Wilhelm von Conches)
und im scholastischen Aristotelismus
(Albertus Magnus
u.a.) – Kurios zu diesem Thema der Gang durch den Erdball, um ein Schwein
zu suchen im „Mirabilienbuch" der Otia, 3.dec.
45 De antipodibus. Vgl. auch: "Welt
als Kugel" in Antike und Mittelalter (Krüger)
73) Honorius,
s. vorige Anm. – So weltweit verbreitet der
Mythos vom Weltei ist (der Indologe übergeht nur ungern den Hiranyagarbha-Mythos
in Rgveda
10,121 und 10,129,
Shatapata-Brahmana 11,1,6,1, Manu-Smrti 1,8f, Chandogya-Upanischad
3,19,1, um nur die ältesten Belege
zu nennen – ähnlich der Auslegung von Gen
1,2 merachäphät
als incubabat
fouebat sicut auis oua durch Petr.Com.
1,2; ebenso schon
Basileios, Hexahemeron 1,6, Migne PG 29 Sp.44,
synethalpe als
Variante zu LXX
epephereto),
so eng ist andrerseits hier die Analogie mit der Elementen-Schichtung der
Sinnenwelt geführt, deren Überlieferung von Dronke,
Fabula S.79-99, Appendix A (Latin and vernacular allusions to the cosmic
egg) S.154-166 dargelegt wird, so daß
wir auch auf die Stellenvergleiche mit Aristophanes'
Ornithes 693ff und den "eigentlicheren" orphischen
Kosmogonien (z.B. Damaskios, De princ. 123;
124 = DK 1 B 13; B 12; allgem. s. Kern,
Orphicorum fragmenta) hier verzichten können.
74) Auch Petr.Com.
1,4, anschl. an das oben zitierte "Firmament"
(intra se cetera sensibilia continentem):
Insgesamt wird der Mensch "Welt" genannt,
weil er in sich das Vollbild der ganzen Welt zur Gegenwart bringt,
indem er mit den Mineralien das Sein,
mit den Gewächsen das Leben,
mit den Tieren das Empfinden
und mit den Engeln das Wachbewußtsein gemeinsam hat.
(76)
Weshalb der Herr im Evangelium den Menschen als alle Kreatur bezeichnet,
wenn er sagt: Geht, verkündigt aller Kreatur!
(77)
Und der Grieche nennt den Menschen den "Mikrokosmos"; das heißt:
die "kleinere Welt". (78)
"Welt" wird auch die Erneuerung genannt, die durch die verschiedenen Gestalten
einer Artanlage hindurchgeht, wovon dieser Spruch handelt: Siehe, neu mache
ich alles; (79)
und an anderer Stelle: Und es wird sein ein neuer Himmel und eine neue
Erde. (80)
76) Petr.Com.,
1,1, vierte mundus-Defintion:
quandoque homo mundus dicitur quia in se totius
mundi imaginem representat. – Das Thema der
Integration aller vier Daseinsstufen (Reiche) im Menschen ist sehr beliebt;
mit einer Formel, die wohl auf Poseidonios
zurückgeht (s. K. Reinhardt, Poseidonios,
S.343) u.a. bei:
Iohannes Damaskenos, Pege gnoseos 3,2,12,
Migne PG 94 Sp.929;
Nemesios, De natura hominum 1, Migne PG 40 Sp.512 C;
Gregor d. Gr., Hom. in Evang. 29, Migne PL 76 Sp.1214 A;
Isidor, Sent. 1,11, Migne PL 83 Sp.559 A;
Ioh. Scotus Eriugena, De div. nat. 2,4; 3,37;
Alanus ab Insulis, Dist. dict. theol., Migne PL 210 Sp.755.
- S. Hist. Wörterb. d. Philos., Bd.5 Artikel Makrokosmos/ Mikrokosmos
S.642. -
Die
Formel fügt sich für die drei unteren Reiche in die neuplatonischen
Ternare der Trinitätslehre des Marius
Victorinus, z.B. "Existenz – Leben – Erkenntnis",
Dritter Hymnus V.38-40,
die sich sowohl im speculum
der Schöpfung als auch im Menschen als imago
Dei darstellt; beide Motive im Menschen als
dem Inbegriff der seienden, lebenden, empfindenden Welt zusammengeschlossen.
- Das discernere
darüber hier nicht als Entscheidungsfreiheit, die den Engeln nicht
mehr offen steht, auch nicht als diskursives Begreifen, auf das die Menschen,
nicht die Engel angewiesen sind; also allgemein "Erkennen", "Wachbewußtsein"
des logikon.
77) Petr.Com.
(anschl.): vnde
a Domino homo omnis creatura dictus est -
Mc 16,15: Euntes
in mundum universum praedicate evangelium omni creaturae
- offensichtlich durch Synoptiker-Harmonie (Mt
28,19 euntes ergo docete omnes gentes;
Lc 24,47 et
praedicari in nomine eius poenitentiam, et remissionem peccatorum in omnes
gentes, incipientibus ab Ierosolyma) auf die
Bekehrung aller gentes
- hebr. gojim
- im hyperbolisch-universalisierenden Sinn wie etwa Ps
71 (72),17 – bezogen.
78) Petr.Com. (anschl.): -
et Grecus hominem microcosmum id est minorem
mundum vocat. Honorius
1,87 (De homine): Unde
et homo microcosmus, id est minor mundus dicitur,
als konsonant mit der Sphärenmusik, und
2,59 (De homine microcosmo) aus Beda,
De temp. ratione 25, als Säfte-Komplex
mit den Jahreszeiten verwoben. Konsubstantialität des Menschen mit
dem Weltglobus bei Platon, Timaios 41 d;
Konformität (Kopf als Globusabbild) 44
d; Entsprechungen der vier Reiche bzw. Daseinsstufen
im menschlichen Körper bei Philon, Legum
allegoria 2,22; ausdrücklich mikrokosmos:
Philon, De plantatione 28; De vita Moysis
2,135; De providentia 1,40; Macrobius, In Somnium Scip. 2,12,11
ideo physici mundum magnum hominem et hominem
brevem mundum esse dixerunt (gr. brachys
kosmos stoischer
Terminus). Traditionsweg
des Begriffs s. R. Allers, Mikrokosmos (in Traditio 2, 1944, S.322).
79) Ähnlich rätselhaft wie der
mundus ab uno ad aliud traductus
oben; so wie dort mit der Schöpfung im Jetzt an aller Zeit entlang
(Ioh 5,17), wird
hier der biologische Sachverhalt der Fortpflanzung mit der Neugeburt des
Welt-Aions in der leiblichen Auferstehung (Apoc
21,5) – entweder nur belegt, begründet
und eingerahmt – oder verglichen, parallelisiert und analogisiert ("wie
im Großen, so im Kleinen") – oder unmittelbar aufs ganze "Weltei"
und seine Keimanlage (1Ioh 3,2) bezogen,
so daß die Lebewesen und ihre Arterhaltung durch verschiedene Generationen
hier, wie in der bekannten Argumentation 1Cor
15,35-58, nur als Sonderfall und Gleichnis
der aionischen Verwandlung angesprochen werden. Entspr. Honorius,
1,2:
Quinto (modo creatio scribitur)
cum adhuc mundus innovabitur
sicut scribitur:
Ecce nova facio omnia
80) Apoc 21,5;
et erit caelum novum et terra nova
aufgrund Is 65,17
und 66,22, vgl.
Apoc 21,1 und
2Petr 3,13
Has sane varias mundi appellationes innuit euangelista pro magna parte
cum ait. Erat lux vera que illuminat omnem hominem.
Venit in hunc mundum in mundo erat et mundus per ipsum factum est.
et mundus eum non cognouit. (81)
Filius enim hominis in terra visus est
a mundo enim celesti egressio eius ad mundum terrenum.
(82)
et cum hominibus conuersatus est per quem mundus factus est
dicente propheta in principio tu Domine terram fundasti
et opera manuum tuorum sunt celi (83)
et mundus hoc est homo eum non cognouit quando in propria venit
et sui eum non receperunt. (84)
Offensichtlich erkennt der Evangelist diese verschiedenen Bedeutungen des
Ausdrucks "Welt"
zum großen Teil an, wenn er sagt: Er war das wahre Licht, das den
ganzen Menschen erleuchtet.
Er kam in diese Welt, er war in der Welt und die Welt ist durch ihn gemacht,
und die Welt erkannte ihn nicht. (81)
Der Sohn des Menschen nämlich ist auf Erden erschienen;
von der himmlischen Welt nämlich geschah sein Hinausschreiten zur
irdischen Welt, (82)
und mit den Menschen verkehrte er, durch den die Welt gemacht ist,
wie der Prophet sagt: Im Urbeginn hast du Herr die Erde gegründet,
und Werk deiner Hände sind die Himmel;
(83)
und die Welt, das ist der Mensch, erkannte ihn nicht, als er in sein Eigenes
kam,
und seine Eigenen nahmen ihn nicht auf. (84)
81) Ioh
1,9f:
Erat lux vera,
quae illuminat omnem hominem
venientem in hunc mundum.
In mundo erat
et mundus per ipsum factus est
et mundus eum non cognovit.
Die
Abweichung oben Venit in hunc mundum ergibt
sich aufgrund der Doppeldeutigkeit des gr. erchomenon:
entweder Apposition zu anthropon,
"den Menschen, der in diese Welt kommt", mit Vulgata
venientem; oder
Apposition zum Neutrum phos,
mit Formenkongruenz zur ersteren Möglichkeit, bei der lateinischen
Fassung (Vorlage) des Gervasius in einen Hauptsatz mit gleichem Subjekt
verwandelt.
82) Ps 18
(19),7: A summo
caelo egressio eius (bezüglich der Sonne,
aber schon durch die Vulgataformulierung
typologisch überhöht). Demnach meinte in
mundo erat die Präexistenz des Sohnes
im trinitarischen Himmel (Ego a patre exii
et veni in hunc mundum Ioh 16,28);
- nicht schon die Inkarnation.
83) Ps 101 (102),26:
Initio tu Domine terram fundasti
et opera manuum tuarum sunt caeli;
Hebr
1,10: Tu in principio Domine terram fundasti.
84) Ioh,
1,11: In propria venit, et sui eum non receperunt.
- Die enge Verflechtung, geradezu Kongruenz, von Christus und mundus
ist ein in vielen Motiven ausgelegtes Zentralthema der Spätromanik,
vgl. die kosmischen
Visionen der Hildegard von Bingen,
die Adam-Spekulation (vgl. hier Kap.
10), die Christus-Gestalt in den Himmelsrichtungen
der Ebstorfer
Weltkarte, schließlich das folgende
Mikrokosmos-Makrokosmos-Motiv.
Hier eine Art Schlußstein im Gewölbe der verschiedenen mundus-Zuschreibungen,
ohne deren motivischen Eigenwert aufzuheben.
Venienti quippe Christo sidera famulantur. (85)
occurrunt angeli. (86)
terra fontem olei producit. (87)
bos et asinus cedunt. (88)
arbores procedenti ramos et flores producunt.
(89)
Imperanti obediunt et venti et mare (90)
aqua pedibus anbulantis subiecta firmatur
(91)
immundi spiritus obsessos deserunt. (92)
Sol et Luna morienti compatiuntur. (93)
petre scinduntur (94)
corpora sanctorum occurrunt (95)
ab ipsis in tenebras redit. Infernus
ululans predam reddit. (96)
Dem Christus dienten ja, als er kam, die Sterne, (85)
eilten die Engel entgegen, (86)
brachte die Erde einen Quell von Öl hervor, (87)
machten Ochs und Esel Platz; (88)
als er voranschritt, brachten die Gewächse Zweige und Blüten
hervor; (89)
als er ihnen gebot, gehorchten ihm Winde und Meer;
(90)
den Füßen des Dahinwandelnden festigte sich das Wasser darunter,
(91)
die unreinen Geister verließen die Besessenen;
(92)
als er starb, litten Sonne und Mond mit ihm,
(93)
zersprangen Felsen, eilten ihm die Leiber der Heiligen entgegen,
(94)
kehrte die Hölle von ihnen in die Finsternis zurück,
gab heulend die Beute heraus. (95)
85) Offensichtlich eine Zwölferreihe
von Zeichen der devoten Schöpfung aller Stufen (außer dem Menschen),
in drei Vierergruppen geordnet (Motivstufungen, wie später die Legenda
aurea des Iacobus de Voragine sie argumentatorisch
auffächert: zur Geburt (Sterne, Engel, Erde, Tiere), zum "Wandel"
(Pflanzen, Stürme, Wasser, Dämonen), zum Tod (Gestirne, Gesteine,
Gestorbene, der Höllengeist selbst). – Hilfe der Sterne Erweiterung
von Mt 2,2 und
9 (vgl. Num
24,17) in der Art von Gen
37,9 solem et
lunam et stellas undecim adorare me; Leg.aur.
berichtet von einem Nebensonnenprodigium,
"Drei Sonnen sah ich am Himmel stehn" (Müller/Schubert, Winterreise)
- ein durchaus häufiges Phänomen, das laut
Petr.Com., Historia, 2.Mach.16 allerdings
zu Caesars Tod "gehörte" (als Triumvirats-Vorzeichen).
86) Lc 2,13f,
Engel-Heere als gloriose Apotheose, in legendenhafter Verdichtung (occurrunt).
87) Leg.aur.
zitiert Innocenz III. und
Orosius: Erfüllung
des (christlich-apokryphen) Sibyllinischen
Orakels 3,745 (dort nur "die Erde selbst"
als Spenderin von Korn, Wein und Öl, abundanter Automatismus der Schlaraffenländer,
Paradiese und goldenen Zeitalter) durch eine Quelle in Rom, die plötzlich
Öl bringt.
88) Das berühmte Weihnachtsmotiv,
aus dem apokryphen Matthäusevangelium
- Ochs und Esel beten das zwischen ihnen liegende Kind an – aufgrund
Hab 3,2, im MA (auch Petrus
Comestor, Hist.Schol. In Evang. 5) beliebte
Vulgatalesart
in medio duorum animalium cognosceris
(unpunktiertes sch-n-j-m
zu schnajim "duorum"
statt schanijm
"annorum" verlesen,
die kausative Hifil-Form todija
mit LXX epignosthese
in ein Passiv gewendet) und des "Audite!"
Is 1,2, dessen
Vorwurf auch insgesamt diesem Komplex der zwölf Zeichen zugrundeliegt:
Cognovit bos possessorem suum
et asinus praesepe domini sui;
Israel autem me non cognovit
et populus meus non intellexit.
Vgl.
auch Leg.aur. (De nativitate Domini), Petr.-Com.-Zitat
(!): Ochs und Esel essen nicht vom Krippenheu,
das die Kaiserin Helena erworben hat.
89) Leg.aur.
zitiert als Geburtslegende
(Gervasius aber procedenti,
also frühestens zur Flucht nach Ägypten) "Bartholomaeus"
(das so benannte apokryphe Evangelium erzählt
die Höllenfahrt Christi, keine Geburtsmotive): die Balsam spendenden
Reben von Engadi hätten geblüht und Balsamfrüchte getragen.
Göttliches Epiphanie-Merkmal; eher aus dem Matthäus-Apokryphon:
vgl. dort Kap. 20 (Schneemelcher 1, S.368)
den fruchtbringenden Palmbaum, der sich bei der Flucht nach Ägypten
hinabbiegt. -
90) Jesus im Boot schlafend, von den beunruhigten
Jüngern aufgeweckt, beruhigt den Sturm Mt
8,27; Mc 4,40; Lc 8,25
91) Jesus wandelt über den See, entsprechender
Versuch des Petrus Mt 14,25ff; Mc 6,48ff;
Ioh 6,19
92) Dämonenaustreibungen – hier als
ein devotes Verhalten von Seiten der bezwungenen unreinen Geister,
Mc 1,27, Lc 4,36 u.ö.
93) Die dreistündige Verfinsterung
gegen Mittag Mt 27,45; Mc 15,33;
et obscuratus est sol Lc 23,44;
parallel zur Verfinsterung von Sonne und Mond
Is 13,10; Ez 32,7; Mt 24,29 oder ihrer Verwandlung
Ioel 2,31 in Act 2,20, Apoc 6,12;
auch Sibyll. 3,802f u.a.
94) Mt 27,51ff,
noch gleichzeitig zur Sterbestunde (morienti);
Keimzelle für die Darstellung des apokryphen
Nikodemus-Evangeliums (sogen.
Pilatusakten, als "Zeugenbericht" Auferstandener).
95) Lesart ab
ipsis des Manuskripts, Abyssus
in der Leibniz-Edition.
Abyssus, im
AT allgemein für Raumtiefen, in Apoc
9,11 mit dem infernus
(hebr. abaddoh)
gleichgesetzt. – "Höllenfahrts"-Dogma (Symb.
apostol.) aufgrund 1Petr
3,19f und Rom
10,7, Befreiung der Väter aus dem "Limbus";
ausgestaltet im Nikodemus-Evangelium (Pilatusakten).
- "Rückkehr" kann kaum den herabsteigenden "König der Ehren"
meinen, zumal nicht der Verehrte, sondern die zwölf Schöpfungsbereiche
dieser Motivbündelung die Subjektstelle der Satzreihe einnehmen. Sowohl
für Abyssus redit
(parallel-tautologisch und im epiphorischen Prädikat homophon wiederholt
mit Infernus reddit,
vgl. die anaphorische Tautologie in 1Cor 15,55)
wie für Infernus
als alleiniges Subjekt von redit
und reddit läge
hier das gleiche Modell zugrunde: Im Bartholomäus-
und im Nikodemus-Evangelium
wie im Höllendialog-Hymnus Ephraims des
Syrers und auch in den mittelalterlichen Osternacht-Spielen
wird die Hölle oft in Satan (Belial) und den totenverschlingenden
Tod selbst aufgegliedert; letzterer gibt heulend und hungrig seine Beute
an den "König der Ehren" heraus. – Hier nun muß er sich zuvor
in die Finsternis zurückziehen, verliert die Gestorbenen oben, ohne
daß das beliebte Motiv seiner Fesselung, Ps
67 (68),19 in Eph 4,8 captivam duxit captivitatem
(auch Apoc 1,18
und 20,1-3, dort
aber ohne Tod-Teufel-Differenz), hier ausgeführt würde. Totenreich
sowohl der Seligen als auch der zu läuternden Sünder ist (bei
Gervasius) von da an der obere Luftbereich.
Solus homo omnium malorum ipse coagulum
coagulatum cor habens
Der Mensch allein, selbst das Lab alles Bösen,
mit einem zusammengeronnenen Herzen,
ohne Bedenken, geschickt, sich
ins Getümmel zu stürzen, den Augenblick an sich zu reißen,
(96)
verdammt den Weltenschöpfer: Er nimmt ihm das Leben,
durch den er selbst lebt und ohne den sein eigenes Leben nur ein Sterben
ist. (97)
Der Wolken zu seinen Aufstieg türmt
und wandelt über die Schwingen des Windes,
(98)
ruft dem elenden Menschen zu:
„Milder als dich habe ich das ganze Tierreich gefunden";
(99)
„Solche Verbrechen hat nicht einmal der Barbar an den Syrten
ausgedacht, wie sie dein Vergnügen beging".
(100)
96)
Ps 118 (119),70: Coagulatum
est sicut lac cor eorum; vgl. Iob
10,10 und Sap
7,2. – Lucan,
Bellum civile (Pharsalia) 10,507f:
(insiluit Caesar) semper feliciter usus
precipiti cursu bellorum et tempore rapto.
97) Antithetische Verschärfung und
Verkürzung (Oxymoron) des Ich-bin-Worts Ioh
11,25 Ego sum
resurrectio et vita: qui credit in me, etiam si mortuus fuerit, vivet.
98) Ps 103
(104),3 (dort Anrede, 2.Person)
99) Ovid,
Heroides (ep.) 10,1 (3)
100) Lukan, Bellum civile (Pharsalia)
10,477f